„Venedig in Wien“

Italien war der letzte Schrei im Wien der Jahrhundertwende: neben dem als Vergnügungspark angelegten „Venedig in Wien“ sollte beim Praterstern gar ein ganzes italienisches Viertel entstehen.

Heute ist von dieser irrwitzigen Idee nur noch ein Zeuge übrig geblieben: der Dogenhof, der das gleichnamige Kaffeehaus beherbergt und dessen Fassade den Palazzo Cà d’Oro in Venedig zu imitieren versucht. Ein skurriler Anblick, denn die gotischen Kreuzblumen und der über dem Eingangstor prangende Markuslöwe passen so gar nicht in die triste Gegend der Praterstraße.

 

Venedig im Regen

Überraschend klein ist der Raum, der mit ein paar Tischen und der dunklen Holztheke schon ausgefüllt ist, aber auch sehr hoch. Wunderschöner Stuck verziert die Decke, an der einen Seite hängt ein riesiger Spiegel, die andere ziert ein komplett vergilbtes Gemälde einer venezianischen Vedute. Ein Paravent trennt den hinteren Teil des Lokals vom Gastraum ab. Das Radio läuft, auf der Theke steht viel Metaxa, eine Box mit Wundertüten und ein Münztelefon. Eine seltsame Atmosphäre herrscht im Dogenhof: ein bisschen Wien, ein bisschen Italien, ein bisschen 70er Jahre und ein bisschen Ostblock – nicht Hochglanz, nicht schäbig, herrlich unangepasst, nicht gerade freundlich und einladend, aber gerade deshalb faszinierend und authentisch.

Frau Eleni, die griechische Besitzerin des Dogenhofs, herrscht hier über die Stammgäste, zusammen mit ihrem kleinen Hund, der bei fast jedem eintretenden Gast zu bellen beginnt. Freundlich aber bestimmt bedient sie ihre Gäste persönlich, ist um deren Wohlergehen besorgt, gibt ihnen allerdings auch irgendwie das Gefühl, es sich besser nicht mit ihr zu verscherzen.

Dogenhof Kaffeehaus (c) STADTBEKANNT
Dogenhof Kaffeehaus (c) STADTBEKANNT

Griechischer Wein

Auf der Speisekarte stehen die typischen kleinen Kaffeehausspeisen: Gulasch- und Gemüsesuppe, Toast und sogar ein griechischer Vorspeisenteller, der der Herkunft der Besitzerin Tribut zollt. Zu trinken gibt es neben der obligatorischen Melange (die hier übrigens mit Schlagobers serviert wird) auch echten griechischen Kaffee und viel Alkoholisches: Bier, Schnaps, Weine aus dem Burgenland und vor allem aus Griechenland. Und auch nach dem fünften Ouzo und der x-ten Zigarette (der Dogenhof ist ein reines Raucherlokal) weiß man irgendwie noch immer nicht, wo man denn nun ist: Wien, Griechenland, Italien – oder einfach nur mitten im Nirgendwo.

 

STADTBEKANNT meint

Also, ein klassisches “Wiener Kaffeehaus” ist das Dogenhof nicht – dort gibt es nämlich zur Melange einen griechischen Vorspeisenteller oder gleich Ouzo als Nachtisch. Das kann man wohl auf die Herkunft der Besitzerin zurückführen. Die Herkunft des Dogenhof allerdings führt uns nach Italien zurück, denn die Gegend um den Praterstern sollte einst ein ganzes “Venedig in Wien” werden. Vielleicht also doch ein “Wiener Kaffeehaus”, denn irgendwo zwischen Griechenland, Italien und Nirgendwo schimmert auch das Wienerische durch.

 

Fotos

    5.0

    Herbert-Ernst Neusiedler

    das wahre dogenhof cafe ist nun gestorben.
    der dogenhof, das war einst der stoß, später madame eleni.
    ein teil von wien wird den wienern fehlen.
    Doch bald werden auch wir, denen es fehlt, fehlen.
    die Kunststoffmenschen im grauslichen Glaskastel daneben sind das neue zubetonierte Wien
    deren Zukunft ist schon vergangen

    Diese Bewertung war ...?
      0.0

      Brigitte bodmann

      Leider wahr !

      Diese Bewertung war ...?

Bewertung

Bewertung
Bewerten