Urige Wiener Atmosphäre

Österreich und das Schnitzel, das ist in etwa so eine Symbiose wie Deutschland und die Currywurst, Ungarn und das Gulasch oder Italien und die Pizza. Umso weniger erstaunt es, dass sich mitten auf der belebten Neubaugasse eine Lokalität befindet, die sich voll und ganz der liebevollen Zubereitung und dem Servieren jener Speise verschrieben hat, die fast schon als Wahrzeichen gelten könnte: das Schnitzel.

 

Raum-Zeit-Kontinuum

Im Vergleich zu Ketten wie dem Schnitzelmann geht es in der Neubaugasse 52 noch traditionsreich und ur-wienerisch zu. Das Interieur erinnert mit seinem grünen Kachelofen, den Holzvertäfelungen, den grün-weiß karierten Tischdeckchen und dem dezent in der Luft liegenden Geruch von Bratfett eher an ein klassisches Landgasthaus, denn an ein Lokal innerhalb des Gürtels. Und auch das Klientel ist weit von dem entfernt, was man sich im hippen Neubau erwarten würde: Natürlich, Touristen und Studenten findet man hier genauso wie im Café um die Ecke, ansonsten begrüßt einen jedoch gleich nach dem Eintreten durch den schweren Vorhang Wiener Charme und Schmäh, wie man ihn leider nur mehr allzu selten findet.

Schnitzelwirt (c) Mautner stadtbekannt.at
Schnitzelwirt (c) stadtbekannt.at

Im Schnitzel-Paradies

Dass es hier ums Schnitzel geht, nicht um die Wurst, lässt nicht bloß der Name vermuten, ein Blick auf die Karte bestätigt den berechtigten Verdacht. Neben Klassikern wie Schweinsbraten mit Knödeln, Reisfleisch mit Gurkerl oder Faschierten Laibchen mit Kartoffeln gibt es jede erdenkliche Schnitzel-Variante: Zigeunerschnitzel (natur mit Letscho und Kartoffeln), Schnitzel nach serbischer Art (natur mit Zwiebeln, Pfefferoni, Paprika und Kartoffeln), Knoblauchschnitzel (natur mit Zwiebeln und Knoblauch angeröstet, dazu Kartoffeln) oder etwa das Schnitzel-Allerlei, bestehend aus einem kleinen Pariser Schnitzel, einem kleinen Wiener Schnitzel, einem kleinen Mexiko Schnitzel, gebackenen Champignons und Reis.

Im absoluten Zentrum steht aber natürlich das Wiener Schnitzel, eine riesenhafte Portion, die für eine einzelne Person kaum zu bewerkstelligen ist – es sei denn, man hat in weiser Voraussicht die Tage davor gehungert. Die Größe bewegt sich in einem derartigen Ausmaß, dass man wie selbstverständlich bereits Sekunden nach Beendigung des Mahls Verpackungsmaterial für die Reste auf dem Tisch liegen hat. Zu dem Schnitzel werden im Modulsystem die Beilagen ausgewählt, hier gibt es Klassiker wie Kartoffelsalat, Bratkartoffeln, Pommes oder Reis. Einziges Manko des Schnitzels ist die Tatsache, dass es aus Schweinefleisch ist – original Wiener Schnitzel wäre aus Kalbfleisch.

Um den „Happen“ zu verdauen, empfiehlt sich ein Stamperl Ringlotten-Schnaps, ausgezeichnet im Geschmack und fast vonnöten, um den Schnitzelwirten wieder aufrecht stehend verlassen zu können.

Schnitzelwirt Restaurant (c) Mautner stadtbekannt.at
Schnitzelwirt Restaurant (c) stadtbekannt.at

Der große Tumult 1982

Dass der Schnitzelwirt bereits eine durchaus lange Geschichte hinter sich hat, beweisen neben der wahrscheinlich noch im Original erhaltenen Einrichtung, außerdem diverse Urkunden und bereits verblichene Zeitungsartikel an den Wänden, die von allerlei Erlebnissen seit der Entstehung im Jahr 1972 berichten. Einen davon, aus dem Jahr 1982 und aus der Feder des ehemaligen Kurier-Journalisten Karl Ploberger, möchten wir euch auf gar keinen Fall vorenthalten:

Schnitzeljagd füllte Zellen der Polizei

Wien: Riesenwirbel um Gratisessen

Eine regelrechte Schlacht ums Gratisschnitzel lieferten sich am Mittwoch Früh an die 250 Hungrige. Der Schnitzelwirt in der Neubaugasse feierte sein zehnjähriges Firmenjubiläum und organisierte deshalb um fünf Uhr Früh ein „Dank-Essen“ für alle Stammgäste. Gekommen sind freilich nicht nur die Dauergäste, sondern aus der ganzen Bundeshauptstadt strömten ab drei Uhr Früh die Gratisesser zu dem Gastwirt. Vor dem Lokal kam es dann zu turbulenten Szenen. Schließlich musste die Polizei mit 17 Streifenwagen (laut der Gastwirtin) ausrücken, um die Menschenmasse zu beruhigen. Als die Polizisten kamen, wurde die Situation nur noch verschärft. Bierflaschen flogen durch die Luft und beschädigten parkende Autos. Im Gasthaus selbst konnte sich niemand mehr bewegen, gar nicht zu reden war freilich vom Schnitzel-Essen. Über Megaphon forderte man die Gäste auf, das Lokal zu verlassen. Die Wirtin, Helene Schmidt, 41, wollte die Stammgäste trotz des Wirbels nicht enttäuschen, packte mehr als 150 „Riesen-Wiener“ ein und schenkte sie her.

Erst nach zwei Stunden war wieder Ruhe eingekehrt. Die Polizei hatte 25 Personen festgenommen. Da die Zellen in Neubau nicht ausreichten, wurden die Unruhestifter auch in Mariahilf und Fünfhaus „verwahrt“. Der Polizeijurist Dr. Andreas Held rotierte am Mittwoch Vormittag – alle Häftlinge mussten einvernommen werden. Die Invasion kündigte sich übrigens bereits am Dienstagabend an: Der Gastwirt Günther Schmidt hatte keine ruhige Minute mehr, dauernd erkundigten sich die Schnitzelesser telefonisch, ob die Gratis-Aktion auch wirklich stattfindet.

 

STADTBEKANNT meint

Wer urige Wiener Küche und urige Wiener Atmosphäre mag, der ist beim Schnitzelwirt genauso goldrichtig wie die Panier auf dem servierten Riesenmahl. Den Latte Macchiato sucht man hier vergeblich, dafür bescheren einem Kachelofen, Holzvertäfelung und unverwechselbarer Gasthaus-Charme das Gefühl, einen Ausflug in eine andere Welt gemacht zu haben.

Fotos

    1.0

    Helmut Prima

    Zu lange Wartezeiten, Servicepersonal sehr unfreundlich, Speisen- und Getränkeangebot sehr mittelmäßig, teilweise viel zu teure Preise. Ambiente sowie Gäste sind auf fraglich niedrigem Niveau. Dieses Lokal ist nicht weiter zu empfehlen. Schnitzelwirt in 1070 Wien ist seit 1982 sehr stark abgesunken!!

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