Urig und charmant – der Vorgartenmarkt in Wien-Leopoldstadt

Marktliebhaber und all jene, die ein wenig Retro ganz gerne haben, werden den Vorgartenmarkt als Kleinod gepflegter Ranzigkeit kennen und schätzen. Wir stellen euch diese charmante Ecke Wiens, die sicherlich nicht mehr lange so bleiben wird, vor.

 

Vorgarten im Stuwerviertel

Der Vorgartenmarkt besteht bereits seit 1912. Inmitten des dreieckigen Stuwerviertels, zwischen dem Max Winter Platz und der Vorgartenstraße, liegt der kleine Markt in einer Gegend Wiens, die schon einmal rosiger ausgesehen hat. Historisch betrachtet wurde das Stuwerviertel verhältnismäßig spät bebaut, nachdem dies durch die Donauregulierung möglich geworden war.

Architektonisch lässt sich dies auch noch heute gut an den schön erhaltenen Gründerzeithäusern erkennen. Diese Zeit gab übrigens dem Vorgartenmarkt auch seinen Namen: Ende des 19. Jahrhunderts wuchs die Wiener Bevölkerung rasant. Dem wurde durch die Erschließung neuer Wohngebiete bestmöglich Rechnung getragen – aber eng wurde es trotzdem. Deshalb sah die damalige Bauordnung vor, dass im Sinne der Erhaltung der städtischen Grünflächen vor jedem Wohnhaus ein Vorgarten errichtet werden musste. Diese Regelung wurde zwar bald wieder aufgehoben, prägte aber sowohl das Erscheinungsbild als auch den Namen der Vorgartenstraße und des -Marktes.

Vorgartenmarkt Obst (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Obst (c) Mautner stadtbekannt.at

Modernisierter 1960er-Charme

Der Vorgartenmarkt verströmt einen ganz eigenen Charme, der sich durch die erste Modernisierungsoffensive erklären lässt. 1961 wurde der Markt von Grund auf neu errichtet, wodurch die typische Ladenzeilen-Architektur entstand. Hierdurch bekommt der Markt einen Flair, der an einen orientalischen Bazar erinnert. 2012 erfolgte die nächste Modernisierungswelle, aber die alte Gemütlichkeit des Marktes ist geblieben. Die Dächer der gemauerten Stände erreichen sich beinahe und bilden so die leicht schummrige Stimmung, die diesen Markt ausmacht. Hier kann man flanieren, einen kleinen Kaffee trinken und vor allem frisches Gemüse kaufen, denn daran mangelt es am Vorgartenmarkt bestimmt nicht.

Vorgartenmarkt Gemuese (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Gemuese (c) Mautner stadtbekannt.at

Fleisch ist mein Gemüse

Wenngleich die Marktstandler, so wie vielerorts, über einen Rückgang der Kundschaft klagen und den Trend hin zu abgepackter Supermarktware feststellen, gibt es auch am Vorgartenmarkt Geheimtipps, die AnrainerInnen zu schätzen wissen. So einer ist zum Beispiel der Fleischhauer am Vorgartenmarkt. Bei Fkeischwaren Zor wird noch traditionell mit fachmännischer Klinge zugeschnitten und beraten. Und charmant sieht so ein richtiger Fleischhauer ohnehin aus.

Vorgartenmarkt Fleischhauer (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Fleischhauer (c) Mautner stadtbekannt.at

Eier Wild Geflügel

Wer nun glaubt, am Vorgartenmarkt mangelt es an exotischem Essen, der muss nur ein bisschen genauer hinschauen. Im äußerlich sehr altmodischanmutenden “Eier Wild Geflügel” ist der Name Programm – und Grundlage für so manch exotische Gaumenfreude. Ganz Mutige erstehen bei Geflügel Schneider Hühnerfüße. Wozu? Um eine, in vielen asiatischen Ländern als absolute Delikatesse geltende, Speise zuzubereiten: Gegrillte bzw. frittierte Hühnerfüßchen. Sie tragen den klingenden Namen “Adidas” – wahrscheinlich weil die lieben Henderln so schnell zu Fuß sind.

Vorgartenmarkt Huhn (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Huhn (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Hühnerbein (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Hühnerbein (c) Mautner stadtbekannt.at

Der kleine aber feine Markt wartet neben Gemüse und Fleisch auch mit einem überschaubaren aber guten Angebot an Fisch, Snackmöglichkeiten und urig-ulkigen Ständen, die die allseits beliebte Warenkategorie „Kram“ anbieten, auf.

Vorgartenmarkt Fisch (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Fisch (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Grillhendl (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Grillhendl (c) Mautner stadtbekannt.at

Huch, war das ein Bobo?!

Wer jetzt durch den Vorgartenmarkt schlendert, wird sich vielleicht so wie im gesamten Stuwerviertel denken, dass hier nicht mehr wirklich der Bär steppt. Doch der erste Eindruck täuscht – denn in dieser Gegend wird bald viel passieren. Vor allem der neue WU-Campus, der im Wintersemester 2013/14 eröffnen soll, wird die Gegend von Grund auf verändern. Das Stuwerviertel ist sicherlich der nächste Hotspot für die nächste Welle der so genannten „Gentrifizierung“, wie es zum Beispiel rund um den Yppenplatz der Fall war. Erste Indizien finden sich hierfür auch am Vorgartenmarkt. So gesellen sich neuerdings zu retro-Ständen auch der Biohof Adamah und das Lokal TEWA, die nur noch auf die Ankunft der Massen an StudentInnen warten müssen.

Vorgartenmarkt Adamah Kraeuter (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Adamah Kraeuter (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Tewa (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Tewa (c) Mautner stadtbekannt.at

Auch die letzte Modernisierung des Marktes deutet darauf hin, dass es hier bald viel studentischer zugehen wird. Ein attraktives Zeichen für die Richtung, in die sich stadtplanerisch die Gegend rund um den Vorgartenmarkt zu entwickeln scheint, sind kreativ gestaltete Geschäftslokale und die offenbar beauftragten Graffiti. Die Integration von Street Art in den legalen Raum lässt meist darauf schließen, dass sich hier bereits viel tut – auch wenn es auf den ersten Blick nicht gleich auffällt.

Vorgartenmarkt Wein (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Wein (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Graffiti (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Graffiti (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Hand (c) Mautner stadtbekannt.at
Vorgartenmarkt Hand (c) Mautner stadtbekannt.at

STADTBEKANNT meint

Der Vorgartenmarkt ist sicher nichts für jene, die sich ein Überangebot an außergewöhnlicher Marktware oder besonders hippen Cafés und Lokalen erwarten. Aber keine Sorge, das wird sicher bald der Fall sein! Bis dahin kann man den Vorgartenmarkt durchaus als eines der letzten urigen Wiener Platzerl genießen.

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