Eine Wiener Kaffeehaus-Institution

Wiener Kaffehäuser gibt es einige. Viele davon sind im Laufe der Jahre, gerade weil sie zu Wien gehören wie der Stephansdom, zu sterilen Touristenabfertigungen degradiert worden, so geschehen zum Beispiel beim guten alten Café Griensteidl oder dem Café Central.

Einmal davon abgesehen, dass man sich teilweise in eine Warteschlange voller fotoapparatbehängter Touristen einreihen muss, vom ursprünglichen Charme merkt man dort wenig bis gar nichts mehr.

Cafe Sperl Zeitungen (c) Marlene Mautner stadtbekannt.at
Cafe Sperl Zeitungen (c) Marlene Mautner stadtbekannt.at

Künstlermagnet

Aber nicht alle Wiener Kaffeehäuser erleiden diese „Disneyfizierung“, dieses zwanghafte Aufrechterhalten vom Wiener Charme, das dann doch nur in artifizieller Sterilität endet. Eines jener wenigen Cafés, die sich jeder touristischen Anpassung widersetzen, ist das Café Sperl. Das Sperl erfreut sich seit seiner Gründung 1880 enormer Beliebtheit. Durch die unmittelbare Nähe zum Raimundtheater und dem Theater an der Wien avancierte das Sperl in kürzester Zeit zum Stammcafé von Künstlern, Musikern, Literaten und Schauspielern, Stars aus Theater und Operette gingen hier ein und aus. So war es durchaus möglich, Granden wie Franz Lehár, Carl Millöcker, den Sänger Girardi, Carl Zeller oder Emmerich Kálmán im Sperl anzutreffen.

 Cafe Sperl Lokal (c) stadtbekannt.at
Cafe Sperl Lokal (c) stadtbekannt.at

Friedliche Koexistenz

Auch die Haagengesellschaft, eine Gruppierung von Malern, die an der Gründung der Secession beteiligt waren, hatten jahrzehntelang ihren Stammtisch im Sperl. Da das Sperl nur ums Eck vom Semper Depot liegt, in dem die Ateliers der Akademie der Bildenden Künste untergebracht sind, trifft man dort auch noch heute jede Menge Künstler und Schöngeister an. Und genau diese Mischung macht das Café Sperl zu einem der interessantesten Kaffeehäuser in Wien: zwischen klassischem Wiener Kaffeehausdekor, mit viel Gold, Stuck und Samt, sitzen kleine Gruppen um die fragilen Marmortische und diskutieren über die verhunzte Aufführung von einem Brittenstück am Theater an der Wien, zwei Tische weiter wird über den Begriff der Performativität gestritten und wieder daneben sitzen alte Herren und spielen Karten. Das Sperl ist der Schmelztopf des 4. bis 6. Bezirk, hier trifft die Wiener Schickeria auf alteingesessene Herrschaften.

Cafe Sperl (c) Mautner stadtbekannt.at
Cafe Sperl (c) Mautner stadtbekannt.at

Wiener Kaffeehausküche

Im Sperl kann aber natürlich nicht nur diskutieren, man kann auch Kaffee trinken und essen. Die Heißgetränkepreise sind leider wie in fast allen Wiener Kaffeehäusern höher als im Durchschnitt, dafür ist sie auch durchaus genießbar, was man ja nicht in jedem Kaffeehaus in Wien behaupten kann. Die Mehlspeisen sind typisch österreichisch, neben den Klassikern wie Sachertorte, Guglhupf, Apfel- und Topfenstrudel gibt es einerseits ein ständig variierendes Kuchensortiment sowie eine eigene Sperltorte. Man sollte allerdings lieber den restlichen Tag nichts mehr essen, die üppige Torte mit zarter Milchschokolade, Vanille, Zimt und köstlicher Mandelmasse deckt vermutlich den Kalorienbedarf eines ganzen Tages.

Neben einigen kleinen warmen Speisen wie Schinken-Käse-Toast oder Französischem Toast und kulinarischen Fixpunkten wie dem Wiener Schnitzel mit Salat gibt es eine ständig wechselnde Tageskarte. Die Speisen sind saisonabhängig und variieren auch geschmacklich stark. Essen im Sperl hat immer ein bisschen was von einem Trial-Error-Verfahren, je nachdem wie der Koch aufgelegt ist, kann man im Sperl alles von fabelhaft bis „so so la la“ serviert bekommen.

Aber wegen dem Essen kommt man ja eigentlich nicht ins Sperl. Das Essen im Sperl ist ein netter Nebeneffekt beim stundenlangen Sitzen, Melange trinken, Leute und die Zeit vergehen beobachten. Das Sperl ist immer und immer wieder einen Besuch wert. Im Sommer gibt es übrigens einen sehr netten Schanigarten.

 

STADTBEKANNT meint

Das Café Sperl ist schon seit 1880 ein fixer Bestandteil der Wiener Kaffeehaus-Szene. Direkt in der Umgebung vom Theater an der Wien, dem Raimund Theater und dem Semper Depot ist es ein gern genutzter Treffpunkt für Künstler und Literaten – und das immer noch. Es ist nicht ganz so überladen mit Touristen, wie so manche andere Kaffeehäuser, obwohl sein Bekanntheitsgrad danach rufen würde. Im Sperl ist man gern, isst man gern, trinkt man gern und schaut man gern anderen Leuten zu. Im Sommer gibt es übrigens einen sehr netten Schanigarten.

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