Lokal im 22. Bezirk
Regional kochen gehört bei Neueröffnungen schon fast zum Standard Repertoire. Einen Schritt weiter wagt sich das Restaurant Jussi aus dem 22. Bezirk: ein feines Restaurant mit Potential.
Brutal lokal
Auf die Spitze getriebene Regionalität in der Gastro bedeutet, Zutaten aus der unmittelbaren Umgebung auf den Teller zu bringen. Wir reden hier nicht von 100km Umkreis, sondern der standörtlichen Zusammenführung von Wachstum und Verzehr. So weit wie Schweden oder Dänemark ist Österreich noch nicht, aber man denke an die Micro Greens von Otto Bauer, Zotters essbaren Tiergarten oder den Gemüsegarten vom Ströck Feierabend.
Namensgleichheit
Letzterer ist ebenso in Aspern wie das neu übernommene Restaurant Jussi auf den Gründen des Blumen-, Obst- und Gemüsebetriebs Kalch. Eine Zeit lang wurde das nach dem Stammesältesten benannte Restaurant von der Familie selbst geführt, bis sie es aus privaten Gründen abgeben mussten. Neuer Betreiber ist Christopher Kocher, der zuletzt als Geschäftsführer der Prater Alm werkte und dessen Taufname Jussi wohl für die schicksalhafte Zusammenführung sorgte.
Nah dran
Überflüssig zu erwähnen, dass Obst und Gemüse aus dem Betrieb des Verpächters stammen, konkret aus den Gewächshäuser und Feldern hinterm Restaurant. Schade nur, dass im Winter zugekauft wird – das dezimiert den Regionalitätsgedanken wieder etwas. Dennoch: auch die anderen Zutaten sind weitestgehend aus dem Umkreis. In welcher Form sie dann auf dem Teller landen, wollen wir uns nun ansehen.
Wintererdbeere meets italienischen Frischkäse
Die Burrata mit Erdbeeren hat gemundet, dennoch drei Anmerkungen: 1. frische Erdbeeren sollten außerhalb der Saison entbehrlich sein, wie wäre es alternativ mit Erdbeerkompott? 2. eine alte Saftkurweisheit besagt, dass man Getränke zur Geschmacksentfaltung ein paar Minuten vor Genuss aus dem Kühlschrank holen soll; dies wäre bei der Vorspeise ganz gut gewesen. Und 3. Brot hat leider gefehlt.
Tagespasta, Fleisch und Amerik-Austrianisch
Ein Traum waren die hausgemachten Gnocchi mit grün-weiß-rotem Topping alias Blattspinat, Schafskäse und Tomaten, womit wir auch bei der täglich wechselnden Pasta gelandet sind. Ergänzend wird zwei Mal pro Woche ein extra Tagesgericht mit Fleisch serviert. Die fixe Karte ist eine feine Zusammenstellung österreichischer und internationaler Klassiker: von Fiakergulasch und Steak über Palatschinken und Cheesecake reist man hier von Wien nach Amerika. Eine eigene Frühstückskarte mit ebenso Abwechslungsreichem gibt es übrigens auch.
STADTBEKANNT meint
Bei der U-Bahn Station Donauspital ist das wohl schönste Lokal im 22. zu finden, auch wenn man sich direkt unter der Trasse befinden. Die benachbarte Gärtnerei verschönert die Betonpflöcke schließlich mit wildem Wein und lässt den Schanigarten erblühen. Zudem liefert sie auch praktischerweise gleich die Zutaten für die geschmacklich einwandfreien österreichischen und internationalen Speisen, die hier gekocht werden. Der Regionalitätsgedanke wurde gut umgesetzt – vielleicht könnte man auf das Zukaufen in Zukunft sogar verzichten.
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