8. Juli 2014

Nachts bei den Stadtbahnbögen

rhiz (c) STADTBEKANNT

STADTBEKANNT flaniert den Gürtel entlang: die Stadtbahnbögen

Eigentlich ist „Stadtbahnbögen“ ein sehr nüchternes Wort. Es ist funktionell, drückt keinerlei Emotion aus. Es beschreibt, was es ist und nicht wie es ist. Ein etwas holpriges und durch die Eigenheiten der deutschen Sprache ermöglichtes Neuschöpfungszusammensetzwort, das halbrunde Viadukte unterhalb der städtischen Schienenstraße beschreibt.

Sollte man in einer Sommernacht am Gürtel (übrigens auch kein besonders ansprechendes Wort) an diesen Stadtbahnbögen entlangschlendern, vergisst man aber schnell ihren funktionellen Charakter.

Foto: STADTBEKANNT Zohmann
Foto: STADTBEKANNT Zohmann

Reise in die Vergangenheit

Aber bevor wir losspazieren, ein kurzer Rückblick: Ein Spaziergänger der Vergangenheit hätte es wohl nicht als besonders spannend empfunden, die ursprüngliche Befestigungsanlage entlang zu spazieren: In den Handwerksbetrieben, die lange Zeit unter den Bögen angesiedelt waren, war nachts wahrscheinlich nicht allzu viel los. Auch später, als die Betriebe verschwunden waren, wird er mit den jahrzehntelang leerstehenden Bögen nicht viel anzufangen gewusst haben. Erst Ende der 1990er begann eine Initiative der Stadt Wien die Stadtbahnbögen durch zahlreiche Szenelokale wiederzubeleben.

Lokaltour in der Gegenwart

Heute hätte unser Spaziergänger des Nachts sicher seine Freude: Das rege Treiben spielt sich im Sommer vermehrt draußen vor den Lokalen ab. Lichterketten und Palmen-Dekor kreieren trotz der direkten Lage am Gürtel eine gemütliche Atmosphäre. Auch das WM-Fieber hat die Bögen erfasst: Ein Outdoor-Flatscreen nach dem anderen macht es möglich, sogar während eines Spaziergangs entlang der Bögen bei einem Spiel auf dem Laufenden zu bleiben.

Und los geht’s: Wir steigen an der Station Nußdorfer Straße aus und marschieren Richtung Süden. Auf diesem Wege treffen wir am Währinger Gürtel auf die Q[kju:]-Bar, die verschiedene Themenabende mit vergünstigten Cocktails bietet. Besonders geeignet ist die Bar für jene, die gerne engen Körperkontakt pflegen. Bei den zahlreichen Happy-Hour-Abenden kann es schon mal recht eng werden.

Foto: STADTBEKANNT Zohmann
Foto: STADTBEKANNT Zohmann

Weiter geht’s zum Hernalser Gürtel (wobei es sich empfiehlt, ein oder zwei Stationen mit der U-Bahn zu fahren, um die Füße zu schonen). Zwischen Alser Straße und Josefstädter Straße betreten wir mit dem Chelsea jenes Lokal, das in den Stadtbahnbögen eine Pionierrolle einnimmt: Ursprünglich gegründet im Keller eines Wohnhauses, zog es 1995 als erstes Lokal – übrigens mitten im damaligen Rotlichtviertel – in vier U-Bahnbögen um. In den je zwei Konzert- und Clubräumen lässt es sich wunderbar zu den Klängen heimischer Undergroundbands tanzen.

Wer von hier aus weiterzieht, findet noch viele weitere namhafte Bars am Lerchenfelder Gürtel: Das Rhiz und B72 bieten Treffpunkte der alternativen österreichischen Musikszene. Letzteres wartet mit zwei Etagen, zwei Bars, einer kleinen Bühne und im Sommer mit einem Gastgarten auf. Das Loop ist für hungrige Musikbegeisterte, die es gern gemütlich haben, einen Besuch wert: Die Loop-Boxen bieten für jeden Geschmack Essbares an.

Futuristischer Abschluss

Und so nähern wir uns langsam der Station Burggasse-Stadthalle. Hier mutet es etwas futuristischer an: Man verlässt die alternative Lokalstrecke, passiert die Lugner-City mit Kino und zahlreichen Restaurants und gelangt schließlich zum Urban-Loritz-Platz. Hier zahlt es sich auf jeden Fall aus, die Stufen zur Hauptbücherei zu erklimmen und die Aussicht auf den Platz und das Verkehrstreiben zu genießen – sollte man seinen Hunger immer noch nicht gestillt haben, tut man dies eventuell vom Restaurant Oben aus. Die von Doppelbogen zu Doppelbogen gespannten Membranen sehen aus wie große Segel und bieten einen speziell interessanten Anblick.

Foto: STADTBEKANNT Zohmann
Foto: STADTBEKANNT Zohmann

STADTBEKANNT meint

In Sommernächten und insbesondere während der Fußball-WM-Zeit präsentieren sich die Stadtbahnbögen von ihrer besten Seite: Die Gürtel-Lokale verbreiten mit gemütlichen Outdoor-Sitzgelegenheiten Sommerfeeling und gute Laune. Großer Vorteil: Durch die direkte Lage am Gürtel, lässt es sich bei lauter Musik ungestört bis 4:00 Uhr Früh ausgelassen feiern.

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